Doch gefunden hat man mich nicht



Böses schreiben, Gutes bewirken
Ein neues Buch mit meiner Beteiligung. „Danksagung des Herausgebers…Frau Krienen…Eva Menasse, Konstantin Wecker, Daniel Kehlmann und Ilja Richter…“ Und so wurden aus einer sehr umfangreichen Korrespondenz acht Briefe Georg Kreislers an mich (und ein Beitrag aus meiner Zeitschrift „Campo de Criptana“) Bestandteil des Buches „Georg Kreisler – Doch gefunden hat man mich nicht“, Atrium-Verlag Zürich, 336 Seiten, 24.99 Euro, Herausgeber Dr. Topic-Matutin. Das Leben von Georg Kreisler (1922-2011) wird noch einmal in Briefen, Schilderungen und Nachweisen erzählt. In Wien als Jude geboren, flüchtete er 1938 in die USA, wurde Friedrich Hollaenders Schwiegersohn, ab 1942 US-Soldat (Ritchie-Boys, traf dort Henry Kissinger, Stefan Heym u.a.) und nahm 1945 an Verhören von Herrmann Göring, Julius Streicher, Ernst Kaltenbrunner und Otto Skorzeny teil. 1946 ging er nach Hollywood, arbeitete dort u.a. mit Charly Chaplin und Hanns Eisler zusammen, zog nach New York wo er als Klavier-Humorist in Bars spielte und übersiedelte 1955 wieder nach Europa. Dort begann seine Karriere als Kabarettist an der Seite von Helmut Qualtinger und Gerhard Bronner, ehe er mit Beginn der 60er Jahren seine Laufbahn allein oder mit Topsy Küppers, später Barbara Peters fortsetzte. Auszug, Seite 303: „7. Juli 2006 - Liebe Tanja Krienen, dass Sie von der Politik genug haben, wie Sie schreiben, kann ich gut verstehen. Aber die Politik hat von ihnen nicht genug. Gegen diese jämmerlichen Herren und gelegentlich Frauen ist kein Kraut gewachsen.“
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Eine Rezension von Jürgen Vogt im Soester Stadtanzeiger

Böses schreiben, Gutes bewirken

„Die Optimisten endeten in Auschwitz, die Pessimisten in Beverly Hills“ – vielleicht ist es dieses Zitat, das Georg Kreisler am ehesten beschreibt. Der Wiener und Jude, der Getriebene und Vertriebene, der satirische Liedermacher und mit pechschwarzem Humor durchtränkte Unterhalter strebte zeit seines Lebens immer auch nach dem Gegenpol: dem Nicht-Wiener und Nicht-Juden, dem Nicht-Unterhalter und – hinter viel schützendem Grimm verborgen – dem Herzlichen und Offenen. Im Buch „Georg Kreisler – Doch gefunden hat man mich nicht“ begibt sich Herausgeber Nikolaus Topic-Matutin auf eine Spurensuche nach dem 2011 verstorbenen Menschen Georg Kreisler. Dazu reiht er unveröffentlichte Texte, Gedichte, Briefe und Worte des Gedenkens aneinander. Wer sich auf das Experiment einlässt, lernt Georg Kreisler auch von einer weniger beleuchteten Seite kennen. Der einleitenden Behauptung des Herausgebers, dass dieses Buch erstmals das ganze Universum des Georg Kreisler entfalte, wird es allerdings nicht gerecht. Es sind die Details, die faszinieren. So wie der Briefwechsel mit Tanja Krienen. Die in Soest-Hiddingsen lebende Autorin suchte 2000 den Kontakt zu Kreisler, vertiefte das Wissen um die Begegnung zwischen Charlie Chaplin, Hanns Eisler und Georg Kreisler. In der Folge aber machen die Zwischentöne diesen Briefwechsel spannend. So bekennt Georg Kreisler in einem Brief vom 7. Detember 2007 an Tanja Krienen in Bezug auf seine Flucht aus Österreich und das Leben Krienens als Transsexuelle: „Man kann darüber reden, aber das Wesentliche muss ungesagt bleiben.“ Fast schon resignativ wirkt seine Einschätzung der Politiker: „Gegen diese jämmerlichen Herren und gelegentlich Frauen ist kein Kraut gewachsen.“ (7. Juli 2006) Auch die Suche nach dem Gegenpol zeigt sich im Gedankenaustausch mit Tanja Krienen. So bekennt Georg Kreisler am 1. Juni 2004 nach einem Auftritt: „Das Publikum hat ungeheuer gejubelt, was mich darin bestärkt hat, nie wieder aufzutreten – vielleicht in einem Theaterstück, aber nie wieder als Liedermacher.“ Für Tanja Krienen scheint der Abdruck der an Sie gerichteten Briefe eine Möglichkeit zu sein, sich nochmal vor Georg Kreisler zu verneigen. Über den Kontakt meint sie: „In der Freundschaft mit Georg Kreisler kulminierten alle meine persönlichen Ansichten hinsichtlich des Säkularen, Politisch, Kritischen und auch ‘schwarzen’ jüdischen Humors. Die Entdeckung des Kreisler/Eisler/Chaplin-Kontaktes im Jahr 1946 rundeten mein Wissen und mein Faible für die Themen seines Werkes und seines Lebens treffend ab, und füllte eine Lücke für alle Menschen, denen diese kulturelle Richtung, die bis in die höchsten Ränge Hollywoods reichten, wichtig erscheint. Unser intellektueller und politischer Austausch steht in diesem Kontext.“ Wer sich ebenfalls vor Georg Kreisler verneigen will, für den ist „Doch gefunden hat man mich nicht“ ein lesenswertes Buch. Es beleuchtet den Vertriebenen und Künstler zwar auf mitunter ungewöhnliche Weise, doch eben dadurch hilft es bei der Suche nach dem Menschen Georg Kreisler. Schließlich bringt es aber auch mit längst Bekanntem die Gegenpoligkeit auf den Punkt. So zitiert Nicolaus Topic-Matutin im Nachwort aus einem „Zeit“-Interview einen Kreisler-Satz, der das einleitende Zitat dieses Textes ergänzt: „Man schreibt Böses, um Gutes zu bewirken“.

Nicolaus Topic-Matutin, „Georg Kreisler – Doch gefunden hat man mich nicht“, Atrium-Verlag 2014, Hardcover, ISBN 978-3-85535-367-5, 24,99 Euro