Kreationismus contra Evolutionslehre



Nicht nur in Bush's USA will eine neue Gegenaufklärung Erfolge feiern



Von Tanja Krienen - Quelle: Neue Rheinische Zeitung

Als Georg W. Bush im August 2005 erklärte, die Lehre des "intelligenten Design" solle gleichrangig zur Evolutionstheorie in den US-Schulen gelehrt werden können, war die Ideologie des neuen Kreationismus endgültig mitten in der US-Gesellschaft angekommen - mit dem Segen der weltlichen und allerhöchsten Macht.

Zwei Erklärungen der Welt

Solange es die Philosophie als wahrgenomme Spielart des Denkens gibt, also seit der "Griechischen Antike", existiert der Gegensatz zwischen Materialismus und Idealismus. Beide Begriffe sind nicht in ihrer heutigen Alltagsbedeutung zu verstehen, sondern meinen vielmehr zum einen, die Erklärung der Welt aus einer natürlichen stofflichen Entwicklung, zum anderen aber, ihre Erschaffung durch einen von außen wirkenden, ursächlichen Ideengeber, den man vereinfacht Gott nennen kann. Nicht immer schließen sich die Gottesvorstellung und der Versuch, die Welt allein aus der Entwicklungsgeschichte zu erklären aus, zumal bis zur französischen Revolution die Kritik an der Kirche und ihrer Welterklärung in der Regel nur innerhalb bestimmter Grenzen möglich war. Selbst Kirchenleute konnten sich der "Ketzerei" schuldig machen, wenn ihre Postulate die göttliche Vorsehung als absolute Kraft und die weltliche Macht der Kirche in irgendeiner Weise berührten.

Schöpfungsidee zurückgedrängt

Im 19. Jahrhundert wurde infolge der zunehmenden Freiheit der Wissenschaften die "Schöpfungsidee" zurückgedrängt. Einfluss gewannen in der Folgezeit jene Kräfte, die sich die Welt durch natürliche Abläufe zu erklären versuchten. Bahnbrechend wirkten 1859 die Forschungsergebnisse des Briten Charles Darwin, der mit seiner Schrift "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl", zum ersten Male eine systematische abstammungstheoretische Darlegung auf biologischem Gebiet präsentierte. Karl Marx wollte zunächst den ersten Band des "Kapital" Darwin widmet, unterließ es jedoch, weil er befürchtete, dessen (von Marx zu vereinfacht interpretierte) Auffassung vom "Kampf ums Dasein" auf biologischem Gebiet, könne auf die Gesellschaft übertragen und missverstanden werden. Doch der wissenschaftliche und philosophische Disput, ob das Leben nun göttlichen Ursprungs oder ein Produkt der natürlichen Entwicklungsgeschichte sei, ging weiter. In den letzten Jahren erreichte er eine neue Stufe der Konfrontation, wie es sie seit ca. 80 Jahren nicht mehr gab, zumal er heute bisweilen mit Diskussionen z.B. um die Gentechnik angereichert ist.

Nach dem 1. Buch Moses

An dieser Stelle können nicht alle Schattierungen beleuchtet werden, die aus theologischer Sicht über die Entstehung der Welt existieren - die Bandbreite ist dafür zu groß. Die radikalsten Wortführer aber sind die Kreationisten. Ihre Lehre vom "intelligenten Design", leitet sich vom englischen Wort "create" (erschaffen) ab. Sie interpretieren den Weltbeginn in klassischer Weise nach dem 1. Buch Moses und nehmen die Bibel in jeder Beziehung wörtlich. Die Kernhypothese ihrer Anschauung lautet, dass die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten und auch schon so von Gott erschaffen wurden. Dieser Auffassung stimmen nach Umfragen in den USA 42% der Bevölkerung zu!
Schon einmal eskalierte dieser Streit in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, als in den US-amerikanischen Staaten Tennessee, Mississippi, Arkansas die Evolutionslehre verboten wurde. Die u.a. darin enthaltenen Behauptung, der Mensch stamme von den Affen ab, resp. sei einer ihrer Seitenzweige, wurde von den dogmatischen Gläubigen schon immer als Beleidigung der Schöpfung, ja als Gotteslästerung betrachtet.

"Wer den Wind sät"

Begonnen hatte der Streit, als ein 24jähriger Junglehrer mit Namen John Thomas Scopes, im April 1925, vor seiner Schulklasse eine Lehrstunde über die Evolutionsgeschichte abhielt. Zwei Wochen später wurde er verhaftet und in einem spektakulären Prozess wegen angeblicher Verleugnung der Bibel verurteilt. Das Urteil wurde erst 1968 - inklusive der "Anti-Evolutionsgesetze" - wieder aufgehoben. Das Verfahren aber ging in die Geschichte ein und wurde weltweit durch seine Verfilmung "Wer den Wind sät", mit Spencer Tracy und Gene Kelly in den Hauptrollen, bekannt.
Evolutionsbiologen bestreiten den Kreationisten jeglichen wissenschaftlichen Anspruch. Sie äußern sich zum Teil besorgt darüber, dass ihre Gegner mit der Taktik, nur eine Gleichberechtigung ihrer Lehre einzufordern und somit die Vormachtstellung der "Evolutionisten" brechen zu können, Erfolge feiern. Während in Europa auf Grund der Tradition der Aufklärung die Kreationisten nur ein Nischendasein einnehmen, scheinen sie in den USA - zumal bei den einfacheren Leuten - zu dominieren.

"Fliegendes Spaghettimonster"

Zugespitzt geht es bei dieser Auseinandersetzung also um die Frage, ob es überhaupt eine Entwicklung der Lebewesen gegeben habe. Schon im historischen Scopes-Prozess argumentierte jedoch die Verteidigung, Gott habe im Paradies die Schlange zum Kriechen verurteilt, folglich müsse sie doch vorher gegangen sein, also habe selbst die Heilige Schrift eine Entwicklung von Lebewesen eingeräumt. Die Spaßfraktion der Evolutionisten in den Vereinigten Staaten reagierte inzwischen mit der Behauptung, die Welt sei in Wirklichkeit von einem "fliegenden Spaghettimonster" erschaffen worden. Sie persiflieren also den ihrer Meinung nach willkürlich geschaffenen Gottesglauben, nennen sich Pastafaris und haben jetzt sogar einen offiziellen Antrag gestellt, um als Glaubensgemeinschaft Anerkennung zu erhalten.
Hatte Papst Johannes Paul II. 1996 erklärt, die Evolutionslehre sei "mehr als nur eine Hypothese" fügte Kardinal Ratzinger im Jahre 2000 hinzu, "dass die Welt in einem sehr komplizierten Evolutionsprozess entstanden sei, dass sie aber im tiefsten eben doch aus dem Logos entstand."

Als Papst Benedikt XVI. schreibt er jedoch 2007 in einem Beitrag für das Buch "Schöpfung und Evolution" zum einen: "Wissenschaft kann Evolution nicht vollständig erklären", aber zum anderen: "Auf die Erklärungsfähigkeit des Glaubens allein für das Ganze würde ich nicht setzen".
So gehen dann die Spekulationen über die Haltung der Kirche weiter, wenngleich prinzipiell davon ausgegangen werden muss, dass der Papst den Streit nicht verschärfen und die Bibel mit den Wissenschaften in Einklang bringen will. Die Aufklärer bleiben ihrerseits gefordert.

Interview mit Professor Ulrich Kutschera

Das Interview aus dem Online-Flyer der NRhZ Nr. 98 vom 06.06.2007 kann hier eingesehen werden.

Wie soll sich ein gläubiger Moslem/Christ/Jude die Existenz der Erde und die Herkunft der auf ihr lebenden Wesen vorstellen?

Aiman A. Mazyek, Generalsekretär Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V.:

"Der Koran, das Heilige Buch der Muslime, beschreibt die gesamte
Schöpfung, einschließlich des Menschen von einem einzigen Gott - der
Anfang und Ende bestimmt, selber aber kein Anfang und Ende ist -
erschaffen. Im Koran heißt es, Gott hat den Himmel und Erde in sechs
Tagen erschaffen." (Sure 11,7 und 32,4).

Die Muslime glauben, dass die gesamte Schöpfung (arab. khalaqa) auf den Willensakt des allmächtigen Gottes beruht. Der Mensch (insân) stammt von einem Wesen und dann von Adam (Âdam) und Eva (Hawwâ) ab. Durch den Sündenfall im Paradies ist die Menschheit nicht mit einer Erbschuld behaftet: Adam (und Eva) bereuten ihr Vergehen und fanden dann Vergebung bei Gott, dem Allvergebenden. Dem Bereich der Schöpfung gehören auch die Tiere, Pflanzen und andere Erscheinungen der Natur und des Kosmos an.

Dr. theol. Werner Sosna, Referent für Religiös-theologische Bildung im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn, Abteilung Erwachsenenbildung:

Theologisch gesehen sind unser Glaube an die Erschaffung der Welt durch Gott und die Vorstellung einer Entwicklung dieser Welt, wie sie die Evolutionstheorie formuliert, prinzipiell vereinbar. Denn die Evolution kann nur das betreffen, was schon existiert, sie setzt voraus, dass Materie vorhanden ist, an der sich entsprechende Veränderungen vollziehen können. Die Entwicklung des Kosmos und des Lebens auf der Erde würden sich so gesehen bis zum Urknall zurückverfolgen lassen. Hier wurden die uns heute bekannten materiellen Bedingungen für die Welt als ganzes gesetzt - aber von wem? Auch die Naturwissenschaften vermögen hinter diese Grenze nicht zu schauen. Der Glaube entdeckt hier die schöpferische Macht Gottes: Gott schafft die Welt aus nichts, ihre Wirklichkeit verdankt sich seiner Freiheit zur Schöpfung! Im Blick auf die Evolution hatte daher schon Teilhard de Chardin formuliert: "Gott macht, dass die Dinge sich machen".

In einem solchen Zusammenhang wäre auch die Entstehung des Lebens und des Menschen eingebettet - als Zielperspektive der Schöpfung -, auch wenn Einzelfragen der biologischen Evolution dabei nicht restlos geklärt werden können. Von besonderem Interesse dürfte jedoch die Beobachtung sein, dass der ontologische Sprung vom Tier- zum Menschsein an die Entstehung von Religiosität (in ihren frühesten Ausdrucksformen) gebunden ist, was theologisch mit der Erschaffung der menschlichen Seele durch Gott zusammenfällt. Deshalb ist auch heute jeder Mensch ein Schöpfungsakt Gottes.

Amnon Orbach, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Marburg:

Das Judentum glaubt an die Schöpfung der Welt. Es gibt einen Schöpfer der einen Anfang gesetzt hat und dem Menschen wird der letzte Grund dieses Schöpfungsaktes immer verborgen bleiben. Aber parallel hierzu hat immer und wird immer eine Entwicklung stattfinden. Es ist unzweifelhaft und selbst während eines Menschenlebens zu beobachten, dass sich die Natur aus unterschiedlichen Gründen weiterentwickelt, etwa aufgrund äußerlicher Notwendigkeiten, zur besseren Anpassung an die Veränderung herrschender Bedingungen oder damit bestimmte Bedürfnisse besser erfüllt werden.

Schöpfung und Evolution sind zwei Parallelen, die im Judentum existieren. Sie stellen keinen Widerspruch dar, die eine ergänzt die andere und ohne einander sind sie nicht denkbar.

Grundsätzlich lässt das Judentum aber die Möglichkeit für verschiedene Sichtweisen dieses Themas offen, so gibt es auch Strömungen, die den Akzent vor allem auf den Schöpfungsakt Gottes legen und für die jegliche Entwicklung eine untergeordnete Rolle spielen.