CAMPO-Interview



"Das andere ist eine Verrücktheit!"



Irenäus Eibl-Eibesfeldt im Gespräch mit Tanja Krienen



TK: Mit großem Interesse und ebensolcher Freude habe ich Ihr Interview gelesen, das im "Wissen"-Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erschien. Gottlob hatte ich während meiner pädagogischen Ausbildung zu Beginn der 80er Jahre einen Psychologie-Dozenten, der Ihren Auffassungen sehr nahe stand und uns damit konfrontierte. Sie sprachen in dem besagten Interview von zweideutigen Formen der Geschlechtlichkeit, die sich aber letztlich meist doch eindeutig entwickeln. Neuerdings aber erhalten Tendenzen Auftrieb, die sich als "Transgender" bezeichnen und meine Behauptung ist, dass diese mehrheitlich nicht transsexuell sind, sondern andere Störungen aufweisen (Fetischismus, temporäre Manien, Schizophrenie, Transvestitismus etc.)...

Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Da wird tatsächlich alles in einen Topf geworfen. Sie beschreiben das richtig. Die pathologische Submission als Gegenpart zur Dominanz spielt wohl bei diesen Formen eine große Rolle. Nehmen wir als Beispiel die Reptilien, und hier die Meerechse. Die Unterwerfungsgesten der Weibchen nach dem Kampf - den man aber nicht als Vergewaltigung bezeichnen kann - mit den Männchen, ist ihre Art der "Liebes"-Technik. Bei diesen Tieren geht es jedoch nicht anders und so ist es als normales Verhalten zu betrachten. Sie entwickeln keinen Zärtlichkeitsbedarf, keine persönlichen Bindungen und keine Liebe.

TK: Es gibt also noch pathologische Formen der Sexualität?

Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Natürlich. Den pathologischen Bereichen der Sexualität liegt eine Veränderung und Störung im Hirn zugrunde, die zur Entartung führt. Dazu gehört der Sadismus, aber auch der Sadomasochismus. Ein leichteres Delikt ist bei Frauen zu beobachten, hier kann z.B. infolge von Angstzuständen ein Orgasmus ausgelöst werden, als Konsequenz einer psychologisch bedingten Submissionslust. Dazu gehört auch die sexuelle Erregung beim Ladendiebstahl.

TK: Um noch einmal auf Transsexualität zurück zukommen und jenen Transgender, die quasi per Definition Praktiken und Zustände präferieren und durch jegliche Abwesenheit von sachlichen Bezügen zur Biologie, Genetik und Psychologie "glänzen". Entscheidend ist ja für sie allein der Wille zur Durchsetzung ihrer Imaginationen! Gibt es also ein Geschlecht per Definition - ohne Änderung?

Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Es gibt eine gynäkomorphe Tendenz bei Männern. Und es gibt Personen, die durch eine Operation etwas ändern lassen. Das macht man nicht einfach so, doch kommt es vor. Aber das andere ist eine Verrücktheit!

TK: Sie haben ja in ihrem Interview mit der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG von den Jungen gesprochen, die sich später entwickelten. Hierzulande aber beginnt man bereits mit der Hormonbehandlung von 12jährigen.

Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Kurz gesagt: Das ist ein Verbrechen!

TK: Ich bedanke mich für das Gespräch.


Zu Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt Quelle "Humanethologisches Filmarchiv der Max-Planck-Gesellschaft und Humanwissenschaftliches Zentrum der Ludwig-Maximilian Universität München":

geb. 15.6.1928 in Wien
Position: Prof. emeritus; Leiter des Humanethologischen Filmarchivs der Max-Planck-Gesellschaft in Andechs; Ordentliches Mitglied des Humanwissenschaftlichen Zentrums (HWZ) der Ludwig-Maximilians-Universität; apl. Prof. für Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München; Direktor des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Stadtethologie in Wien; bis zu seiner Emeritierung 1996 Leiter der Forschungsstelle für Humanethologie in der Max-Planck-Gesellschaft
Familienstatus: verheiratet seit 1950, zwei erwachsene Kinder
Staatsbürgerschaft: österr.
Eibl-Eibesfeldt arbeitete die ersten zwanzig Jahre seiner wissenschaftlichen Laufbahn als Tierethologe. Er begann seine Forschungsarbeit bereits als Student 1946 auf der Biologischen Station Wilhelminenberg in Wien. Als Konrad Lorenz 1948 aus der Gefangenschaft zurückkam, schloß er sich ihm an und folgte ihm 1951, als er einen Ruf der Max-Planck-Gesellschaft erhielt, nach Deutschland. Schwerpunkte seines Interesses bildeten Fragen der Verhaltensentwicklung und die Kommunikation. Seine Experimente trugen entscheidend zur Klärung des Streits um das Angeborene im Verhalten der Säuger bei. Das Kommunikationsthema schulte ihn in der Methodik des Vergleichens und es erlaubte ihm, als Teilnehmer der beiden Xarifa-Expeditionen von Hans Hass so verschiedenartige Phänomene wie die Turnierkämpfe der Galápagos Meerechsen, die von im entdeckten Putzsymbiosen der Korallenfische und die Zeremonien der Balz und Brutablösung der Fregattvögel und flugunfähigen Kormorane unter einem gemeinsamen theoretischen Aspekt zu studieren. Eibl-Eibesfeldt erarbeitete sich in dieser Zeit die theoretischen Grundlagen der Ethologie und präsentierte diese in dem ersten umfassenden Lehrbuch dieses Faches - einem Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung - der mittlerweile in der 8. Auflage und in mehreren Übersetzungen vorliegt. In die zoologische Phase fällt auch die von ihm initiierte und geführte UNESCO-Expedition zu den Galápagos-Inseln (1957), die zur Gründung einer biologischen Station führte.
In den sechziger Jahren begann Eibl-Eibesfeldt mit dem Aufbau eines kulturenvergleichenden Dokumentationsprogrammes in Film und Ton zur Aufdeckung von Universalien im menschlichen Sozialverhalten. Dazu nahm er mit einer Technik der unobtrusiven Aufnahme das ungestellte Alltagsverhalten und die Rituale von Menschen in traditionellen Kulturen in Afrika, Indonesien, Neuguinea, Polynesien und Südamerika auf. Als Ergebnis dieser Forschungen entwickelte sich die Humanethologie als selbständiger Forschungszweig, der in der Forschungsstelle für Humanethologie der Max-Planck-Gesellschaft gefördert wurde. In einem Grundriß der Humanethologie stellte er das neue Gebiet 1984 vor (4. Auflage 1997).
Nachdem es nun erwiesen ist, daß auch das Wahrnehmen und Handeln des Menschen durch stammesgeschichtliche Vorprogrammierungen entscheidend mitbestimmt werden, gilt seine Forschung nunmehr der Klärung der Frage, wie der Mensch in seinem Bemühen, sich kulturell an die Neuzeit anzupassen, mit diesen ihm angeborenen Vorgaben umgeht. Die stammesgeschichtlichen Anpassungen, die ihn auszeichnen, entwickelten sich ja in jener langen Zeit, in der seine Ahnen als altsteinzeitliche Wildbeuter in individualisierten Kleingesellschaften lebten. Als höchst erfolgreiche Spezies schufen wir uns die anonyme Großgesellschaft, die technische Zivilisation und die Großstadt, und damit eine Umwelt, die uns zwar ungeahnte neue Möglichkeiten eröffnet, zugleich aber auch Probleme beschert, da manche unserer Anlagen nicht zu den neuen Lebensbedingungen passen. Diese Problemanlagen, zu denen unser Kurzzeitdenken ebenso wie unser Machtstreben gehören, gilt es aufzudecken, um mit ihnen umgehen zu können. Damit beschreitet Eibl-Eibesfeldt ein neues Arbeitsgebiet, das interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert. Im Rahmen dieser kulturethologischen Forschungen arbeitet er mit einer Kunsthistorikerin an einer Kunstethologie.
Mit der Erforschung der Anpassungsschwierigkeiten der Großstadtmenschen befaßt sich eine Forschergruppe in dem von ihm in Wien gegründeten Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie. In München bemühte sich eine interdisziplinäre Kommission, der er angehörte, um die Einrichtung eines humanwissenschaftlichen Zentralinstituts mit dem Anliegen, die Kulturwissenschaften mit den biologischen Wissenschaften zusammenzuführen. Das Humanwissenschaftliche Zentralinstitut existiert seit Anfang 1998.
Bereits früh setzte sich Eibl-Eibesfeldt für die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme ein. Nach seiner Rückkehr von der Xarifa-Expedition erarbeitete er sich 1955 ein Memorandum für die UNESCO und IUCN mit Vorschlägen zum Schutz der bedrohten Galápagos-Fauna und Flora. Im Auftrag der UNESCO bereiste er die Inseln 1957. Seine Initiative führte zur Gründung der Charles Darwin Station auf den Inseln und zur Einrichtung von Schutzgebieten, die sich bis heute bewähren. Mit der Frage, warum wir Natur lieben und dennoch zerstören beschäftigt sich eines seiner letzten Bücher. Gegenwärtig arbeitet er an seinem dritten Grundriß - einer Kulturethologie.