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Interview mit dem "Muslim-Markt": "Es gibt Beleidigungen, die kein Mensch, der so etwas wie eine persönliche Ehre hat, akzeptieren kann."

MM: Sehr geehrte Frau Krienen. Wenn man das liest, was andere über Sie schreiben, dann sind Sie nicht nur von einem männlichen Körper in einen weiblichen Gewechselt sondern auch von einer Kommunistin zur Anhängerin von George Bush. Wollen Sie bei Letzterem Herrn Schily übertreffen?

Krienen: Jeder der öffentlich wirkt, muss damit rechnen, dass andere über ihn schreiben, doch davon ist - nicht nur in meinem Fall - der größte Teil falsch. So habe ich mich z.B. in der Kernzeit meiner politischen Tätigkeit nicht als Kommunistin, sondern als "Demokratische Sozialistin" gesehen. Schon als solche war ich aber nie eine Pazifistin und habe aus dieser Position gegen Linke polemisiert, die jeden Konflikt ausschließlich "friedlich" austragen wollen und dabei völlig in Gegensatz zu ihrer eigenen Lehre gerieten. Dies empfand ich als heuchlerisch. Ich lebe aber nicht in den USA und kann somit nicht abschließend entscheiden, für wen ich mich dort als Bürgerin engagieren würde. Derzeit ist es wohl gut, dass die Demokraten Einfluss gewinnen und der Kurs im Irak geändert wird.

Zu Ihrer Eingangsbemerkung: Mein Körper an sich war immer feminin, daran hat sich nichts geändert. Wohl aber notwendigerweise an den Geschlechtsmerkmalen.

MM: In einer Ihrer frühern Ausgaben von Campo de Criptana haben Sie - um es vorsichtig auszudrücken - extrem "islamkritische" Texte veröffentlicht. Heute stehen Sie nicht mehr dazu. Wie kam es zu der Weiterentwicklung?

Krienen: Mir wurde manchmal vorgeworfen, ich sei den arabischen Menschen gegenüber feindlich gesinnt, doch ich habe schon früher immer vehement beteuert, dass dies eine falsche Interpretation meiner Haltung ist. Kritik jedoch muss sein - an allen Erscheinungsformen des Lebens. Doch auch die andere Seite, konkret die pro-israelische, kann mit dieser Kritik nicht leben und diffamiert, statt mit Argumenten zu überzeugen. Mit der Zeit also merkte ich, dass hier eine extrem einseitige Parteinahme von mir gefordert wurde, der ich aber nicht nachkommen konnte, da man in diesem historischen Konflikt nicht schwarz-weiß malen kann. Im Übrigen sind in meinem Magazin, dessen Internetpräsenz ich demnächst aus den besagten Gründen umgestalten werde, immer beide Seiten zu Wort gekommen, wenn ich nur an die Interviews nach den Ereignissen von Madrid denke, deren Folgen ich in der spanischen Hauptstadt direkt erlebte.

MM: Überhaupt scheint Ihr Leben voller extrem erscheinender Weiterentwicklungen zu sein. Währens Sie noch vor wenigen Jahren Teile der Elite des deutschsprachigen Zionismus interviewt haben bzw. pro-zionistischen Kreisen eine Plattform lieferten, stehen Sie jetzt in einem Rechtsstreit mit einem der bekannteste Zionisten Deutschlands. Wie kam es dazu?

Krienen: Es ist sehr treffend, wenn Sie von "Weiterentwicklungen" reden. In der Tat scheint es mir notwendig zu sein, nicht stehen zu bleiben und neue Wege zu gehen. Allerdings würde ich an der Frage "zionistisch oder nicht?", diese Weiterentwicklung nicht festmachen wollen, sondern einfach an meiner Haltung, dem fortschreitenden Extremismus eine Absage zu erteilen. Es ist pure Heuchelei immer nur von den eigenen Opfern zu reden, aber die eigenen Taten zu übergehen. Wir müssen aus dem blutigen Spiel gegenseitiger Vorwürfe heraus und Fakten zur Verständigung schaffen. Dazu gehört die Schaffung eines Staates Palästina, eine gerechte Wasser und Bodenpolitik, gegenseitiger und endgültiger Verzicht auf Territoriumsforderung, sowie - mein Vorschlag - die Installation eines paritätisch besetzten Rates um die interstaatlichen Probleme vorgestellter Art zu klären.

Zudem würde ich allen Unbeteiligten zur Zurückhaltung raten. Die vielen Millionen Strategen und Besserwisser, die im Grunde andere Interessen als die Befriedung dieses Prozesses verfolgen, haben meist nur geschadet. Das gilt besonders für das aggressive deutsche Milieu derjenigen, die sich fälschlicherweise "Israel-Solidarität" nennen, aber diesen Konflikt nur zur Etablierung eigener Ziele nutzen will und auch zu nutzen versteht. Aber auch von der muslimischen Seite erwarte ich weltweit, dass sie nicht jeden Konflikt zum Anlass nimmt, um ins Grundsätzliche zu gehen und zu einer friedlichen Haltung findet, ohne den Disput, den sie in der Sache führen will, darüber zu vernachlässigen.

Den angesprochenen Rechtsstreit habe ich nicht gesucht, er wurde mir aufgezwungen. Es gibt Beleidigungen, die kein Mensch, der so etwas wie eine persönliche Ehre hat, akzeptieren kann. Dass ein Publizist, der vorgibt für eine freiheitliche Welt zu kämpfen und seine angeblich so hehren Ideale offenbar mit allen Gewaltmitteln gegen die moslemische Welt durchsetzen will, fortgesetzt mit Worten auf unterstem Niveau schmäht die man eigentlich keinem zumuten will, ist bezeichnend für die in diesem Lande herrschende und geduldete Doppelzüngigkeit.

MM: Eine bezüglich der Palästina-Problematik zunehmend bei Muslimen Anhang findende aber auch von manchen Juden unterstütze Haltung ist, dass es nur einen gemeinsamen Staat für Juden, Christen und Muslime geben sollte, in dem alle Religionen gleichberechtigt sind. Diese Haltung gründet auch darin, dass davon ausgegangen wird, dass ein "Palästinenserstaat" in den Gebieten, die noch verblieben sind, gar nicht existenzfähig ist. Können Sie für die so genannte Einstaaten-Lösung Verständnis aufbringen, auch wenn Frau Merkel das niemals akzeptieren würde?

Krienen: Wir haben mit den Neugründungen auf dem Balkan oder im Baltikum, aber auch mit den traditionellen Kleinstaaten keine schlechten Erfahrungen gemacht. Auch kleinere Staaten sind überlebensfähig, wenn sie eine faire Chance erhalten und sie selbst gut mit ihren Nachbarn kooperieren. Die palästinensische Bevölkerung ist jung, motiviert und gewiss nicht allein, wenn sie den Aufbau eines eigenen Staates in Angriff nimmt. Eine Entspannung zwischen den Völkern dort, führt auch zu einem liberalen Grenzverkehr, hoffentlich, gewiss sogar, auch zu dem Abbau des unsäglichen Zaunes. Dies alles muss man diskutieren. Maximalforderungen stehen einer Einigung und einem Separatfrieden im Wege.

MM: Was wir noch nicht ganz verstanden haben, ist die Tatsache, dass Sie sich für die CDU im Wahlkampf engagiert haben, obwohl sie selbst entschieden gegen Besatzungen wie im Irak oder Palästina sind. Wie ist dieser Widerspruch zu verstehen?

Krienen: Es wäre vermessen, würde ich bei meiner Entscheidung für eine Partei zu werben, allein den Nahen Osten in den Mittelpunkt stellen. Ich habe mich zuvorderst aus anderen Gründen für die Union engagiert und mich nie als bloßes Sprachrohr für Frau Merkel gesehen - das ist wieder einer dieser Presseirrtümer. Aber die Vorgänge im Irak sind nicht ganz so einfach zu beurteilen. Zum einen haben wir da Saddam Hussein und sein Regime, das die Religionsfreiheit nicht gewährleistete und auch Muslime unterdrückte. Das andere ist ein dilettantisches Vorgehen, das über keine geeignete Strategie, auch keine tragfähige Lösung verfügt, und immer nur neue Gewalt hervorbringt. Vor dem Krieg nannte ich den absehbaren Konflikt im Frühling 2003 einen "Wechselbalg", also etwas, das nicht das ist, wofür es gehalten wird. Heute weiß ich, dass er ein Monster war und ist. Es sei uns eine Lehre, derartige Kriege zukünftig nicht mehr zu führen.

MM: Glauben Sie ernsthaft, dass Ihr Letzter Satz in der CDU mehrheitsfähig ist? Noch nie hat Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg so viele Soldaten in die Welt geschickt, wie unter Frau Merkel.

Krienen: Doch, der Satz ist auch in der CDU mehrheitsfähig. Aber wir sollten doch die Aussage zu dem Quantum der Soldaten relativieren. Die Zahl liegt unter 10 000 und die meisten sind quasi "Bausoldaten", erledigen humanitäre oder logistische Aufgaben. Für eine so große Nation, hat Deutschland weder ein großes Heer, noch sehr viele aktive Soldaten unter Waffen. An die Grenzen stieß man nun, als der "Libanon-Einsatz" begann, doch auch hier befindet sich Deutschland nicht im Krieg mit irgendjemandem, sondern nimmt auf Wunsch aller beteiligten Seiten seine Aufgaben wahr. Wie bekannt, wird Deutschland in der muslimischen Welt als Vermittler geachtet. Prinzipiell ist es zu begrüßen, dass die Deutschen nicht weiter in der "Hitler-Falle" sitzen, will sagen: Es ist nicht gut für eine Nation, wenn sie auf ewig mit einer Schuldzuweisung verdammt ist, aus der sie sich nicht im Ansatz lösen darf. Das schürt Aggression nach innen, das macht eine ganze Bevölkerung depressiv. Der Umschwung ist aber geradezu fühlbar. Nun hoffe ich, das klang jetzt nicht zu sehr nach Frau Merkel?!

MM: Zudem gilt die CDU unter der Bevölkerung eher als Vertreter des Raubtierkapitalismus und der "deutschen Leitkultur", jedenfalls mehr als alle anderen Parteien. Was sagt die ehemalige Sozialistin mit internationalem Denken dazu?

Krienen: Die Leitkulturdebatte hierzulande war eine, die ein Moslem "erfand": Bassam Tibi. Ich habe ihn so verstanden, und so hat er es auch immer wieder betont, dass er diese im europäischen, nicht im deutschen, Kontext führen wollte. Das ist legitim. Wir sollten tatsächlich offen über unsere angestrebten Werte diskutieren und würden dabei auch feststellen, dass ein Werteverfall eingesetzt hat, der hauptsächlich aus unserem eigenen Innern stammt. Wir müssen das richtige Maß für Freizügigkeit UND Moral finden. Gegen die Nichtbeachtung grundlegender Prinzipien dieser historisch gewachsenen Vorgaben verstoßen viele Teile der Bevölkerung, unabhängig von der Religion. Aber, das muss ich deutlich sagen: Auch bestimmte Teile der Muslime müssen sich da bewegen und die Regeln einhalten, zu der auch eine gewisse Toleranz gehört.

Sehen wir es doch nüchtern, abseits der Schlagworte. Kaum eine Gesellschaft in der Welt, abgesehen von einigen Nordeuropäischen Ländern, verfügt über ein derartig festes soziales Netz, wie es in Deutschland existiert. Momentan überbietet sich doch selbst die Union mit neuen Vorschlägen zur Sozialpolitik, auch wenn ich finde, dass dies alles am Kern der Probleme vorbei geht. Dieses aber heißt vor allem: Bezahlbare und befriedigende Arbeit auch für weniger Qualifizierte schaffen! Nur so erhalten die Kassen "frisches Geld" und floriert der Konsum. Darüber hinaus müssten sich auch die Menschen von eingefahren Wegen entfernen. Arbeitsplatzbesitzer sollten das Teilen lernen, wenig Verdienende die Sparsamkeit entdecken, Hypochonder und andere sich selbst Schädigende sollten Wege zur Gesundheit beschreiten und - ich sage dies bewusst - Altgewordene sich mit einem humanitären und natürlichen Tod abfinden. Die Gesellschaft kann nicht alle Risiken abdecken - und das ewige Leben fordert nicht einmal die Linke. Oder?

MM: Erlauben Sie uns eine abschließende Frage: Eine Geschlechtsumwandlung ist sicherlich kein einfacher Schritt. Und obwohl Gelehrte wie Imam Khamene?i die Geschlechtsumwandlung unter bestimmten umständen erlauben, fällt es vielen Muslimen - gegen ihre eigene Überzeugung - schwer, ein "normales" Verhältnis zu einer Person aufzubauen, die eine Geschlechtsumwandlung hinter sich hat. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen in der Gesellschaft und wäre es nicht "leichter" Homosexuell zu werden, was übrigens im Islam streng verboten ist?

Krienen: Wirkliche Transsexualität hat mit Homosexualität nichts zu tun. Ich kann mir aber vorstellen, dass dies viele Muslime das negativ sehen und ich gebe zu: Ich kann es ihnen nicht ganz verübeln. Und zwar deshalb, weil sich viele, die sich fälschlicherweise transsexuell o.ä. nennen, tatsächlich dies in grotesker und nicht akzeptabler Weise ausleben und in der Öffentlichkeit extrem präsentieren. So wird ein Bild verfestigen, das auf den Betrachter abstoßend wirkt. Insofern halte ich die Aussagen des Imam Khamene?i für überaus tolerant. Für mich ist aber zudem entscheidend, ob die VORAUSSETZUNG überhaupt gegeben ist. Hier bedarf es einer intensiven Prüfung und nichts wäre falscher als eine liberale Haltung, da diese nicht nur wichtige gesellschaftliche Komponenten wie die Familie und die Kinder-Erziehung untergräbt, sondern auch das Mann-Frau-Gefüge ad absurdum führt. Die Aushebelung dieser Beziehung hat den Westen in vielerlei Gestalt zerstört - die muslimische Welt wäre gut beraten, es nicht soweit kommen zu lassen. Individuelle Freiheit: Ja! Aber mit Regeln und in Grenzen!

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu den Homosexuellen. Diese sollte man wegen ihrer unglücklichen Neigung und ihres gewählten Lebensweges nicht bestrafen, sondern nur dafür sorgen, dass ihre "Kultur" nicht medial in den Vordergrund gerückt und die Regeln des öffentlichen Anstandes von ihnen eingehalten werden.

Heuchlerisch empören sich Christen und Juden auch über das zwischenmenschliche Zusammensein oder z.B. über die Altersgrenzen im moslemischen Lebensbereich. Ich kann mich über das Verhalten von moslemischen Männern jedoch nicht beschweren - sieht man einmal von ein paar Jugendlichen ab, die auch andere Menschen anpöbeln - und halte es überdies mit Nietzsche: "Der Islam hat Männer zur Voraussetzung."

MM: Frau Krienen, wir danken für das Interview.

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